Manchmal überschlagen sich die Ereignisse in der Welt und es fällt schwer den Fokus bei bestimmten Entwicklungen aufrecht zu erhalten. Mit unseren Außen- und Sicherheitspolitischen Lagebildern möchten wir regelmäßig einen kurzen Einblick in bestimmte Themenbereiche geben, welche in der täglichen Berichterstattung keine Beachtung finden konnten. Auch wenn die AG Außen- und Sicherheitspolitik die Hauptanlaufstelle für diese Themen bei der Piratenpartei sind, so nehmen wir nicht in Anspruch im Namen aller Parteimitglieder zu sprechen. Sämtliche Beiträge sind daher bitte als Meinung der AG zu verstehen. Natürlich ist uns ein reger Austausch wichtig, denn nur so kann man andere verstehen und seinen eigenen Horizont erweitern. Wir freuen uns daher über jede Rückmeldungen, Kritik und Anregung, vollkommen egal ob von Piraten oder unseren Mitbürgern! Ihr könnt uns auf Twitter und per Mail erreichen, oder uns gerne in einer Sitzung im Mumble besuchen kommen!
Guinea – Ungewisse Zukunft nach Staatsstreich
08.09.2021 – Am 5. September wurde Alpha Condé, Präsident des westafrikanischen Landes Guinea von einer militärischen Spezialeinheit festgenommen. In einer Fernsehansprache kurze Zeit später wurde die Absetzung der Regierung und die Aussetzung der staatlichen Verfassung bekanntgegeben. Im internationalen Umfeld wurde dieser Umsturz überwiegend kritisiert und verurteilt. Die landeseigene Opposition hielt sich jedoch bisher mit einer Bewertung sehr wahrnehmbar zurück, erhebliche Teile der Bevölkerung begrüßten die Machtübernahme jedoch und bejubelten die Putschisten.
Guinea war Jahrzehnte lang unter autokratischer Herrschaft, bis Alpha Condé 2010 nach einer Stichwahl, zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten wurde. Die anfängliche Euphorie verschwand jedoch schnell nachdem die Devisen aus dem ressourcenreichen Land nicht bei der Bevölkerung ankamen. Gekoppelt mit steigenden Nahrungsmittelpreisen und einer kontroversen Verfassungsänderung, welche Condé eine dritte Amtszeit ermöglichte, kam es zu landesweiten Protesten. Diese wurden gewaltsam niedergeschlagen und viele Oppositionelle inhaftiert, einige kamen während der Gefangenschaft zu Tode. Beobachter beurteilen die letzte Wahl als weder frei noch demokratisch.
Ob der jetzige Staatsstreich zu einer Liberalisierung und Demokratisierung des Landes führt oder zurück in eine autoritäre Herrschaft, lässt sich aktuell noch nicht abschätzen. Beachtenswert ist jedoch, dass sich Guinea neben dem Tschad und Mali in die Reihe der zentral- und westafrikanischen Staaten begibt, welche kürzlich einen Staatsumsturz erlebt haben und damit die massive Instabilität der Region widerspiegeln.
Bundeswehr – Kaum gerüstet gegen Drohnen
19.06.2021 – Die Auseinandersetzungen in Syrien, Libyen, Bergkarabach, aber auch in Israel haben gezeigt, dass neue Waffensysteme weitreichende Veränderungen in den Konfliktzonen und Herausforderungen für die militärische und sicherheitspolitische Lage mit sich bringen.
Ein UN-Berichts kommt zu dem Ergebnis, dass im vergangenen Jahr bei einem Gefecht in Libyen erstmaligen eine vollautonome Drohne eingesetzt wurde, welche selbstständig ein Ziel erfasst und zerstört. Zum Einsatz kam ein mit Sprengmitteln bestückter Quadcopter türkischer Bauart, des Typs Kargu-2. Laut Bericht wurden fliehende Kräfte von der Drohne verfolgt und selbstständig bekämpft. Den Bestrebungen der türkischen Waffenindustrie kommt dieser Bericht als kostenfreie Webemaßnahme sehr gelegen.
Dieser Sachverhalt zeigt auf, dass weniger die großen Drohnen die gefährlichste Entwicklung darstellen, sondern kleine einfach herzustellende Minidrohnen. Mit dem “Drohnenangriff auf Merkel“ hat die Piratenpartei schon früh auf die Gefahren solcher Geräte hingewiesen.
Später wurden Kleinstdrohnen auch in anderen weit gefährlicheren Zusammenhängen eingesetzt. So hatte die Anti IS Koalition bei der Schlacht um Mossul massive Probleme mit der Taktik des IS. Handelsübliche Kleinstdrohnen oder mit dem 3D-Drucker selbst hergestellte Modelle wurden mit einer Sprengladung oder Granate versehen und im Ziel ausgelöst. Dadurch konnten die Angreifer ihre Luftüberlegenheit nicht ausnutzen.
Hierdurch kommt neben dem klassischen Selbstmordattentäter ein weiteres Element für Anschläge hinzu. Der nächste zu erwartende Schritt, ist der Einsatz von ferngesteuerten VBIEDs, möglich gemacht durch die rasante Entwicklung des autonomen Fahrens. Vorbereitet ist man auf diese Entwicklung noch immer nicht. Bisher angewandte Abwehrmaßnahmen bei Flugdrohnen, zeigen die hohe Ratlosigkeit wie mit dem Thema adäquat umzugehen ist.
Afghanistan – China platziert sich im Machtvakuum
22.04.2021 – Nach US-Präsident Bidens Ankündigung sich bis zum 11. September 2021 aus Afghanistan zurückzuziehen, haben sich weitere NATO Staaten angeschlossen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Regierung in Kabul alleine in der Lage sein wird, die Kontrolle im Land zu behalten. Als Reaktion auf den Abzug hatte die Volksrepublik China angekündigt ihre militärische Präsenz in dem Land zu erhöhen. Damit dringt es in die Machtsphäre von Pakistan ein, welches Afghanistan lange als ihren strategischen Hinterhof betrachtet hat. Sowohl der Kampf der Taliban gegen die Sowjetunion, als auch der gegen die NATO-Truppen wurde verstärkt von Pakistan aus koordiniert. Gleichzeitig zeigt China aber auch ein großes Interesse an einer strategischen Partnerschaft mit Pakistan selbst. Ein neuer chinesischer Marinestützpunkt in Gwadar, der südwestlichen Küste Pakistans soll zum einen die militärische Zusammenarbeit gegen den großen regionalen Konkurrenten Indien festigen. Auf der anderen Seite sind Pakistan, Afghanistan und der Iran wichtiger Pfeiler der chinesischen „Road & Belt“ Initiative. Inwiefern sich das Machtgefüge mit einer chinesischen Truppenpräsenz verschiebt, bleibt abzuwarten.
Libyen – Ende des Bürgerkriegs greifbar?
10.03.2021 – Heute kam es im libyschen Parlament zu einem kleinen historischen Ereignis: Zum ersten Mal seit 2016 wurde die Regierung vom Parlament bestätigt, welches damit einen großen Schritt auf dem Weg zu einem befriedeten, demokratischen Land gemacht hat. Hoffnung auf Stabilität verspricht die demokratische Repräsentanz aller größeren Parteien des Landes. Das sind neben der in Tripolis ansässigen GNA (Government of National Accord) auch die im Osten des Landes unter dem Kommando von General Haftar stehende LNA (Libyian National Army) – und ganz wichtig – auch verschiedene Stammesgruppierungen aus der Region um Misrata und den südlichen Teilen Libyens. Durch den Ölhandel zählte Libyen lange Zeit zu der erfolgreichsten und wohlhabendsten Ländern Afrikas. Nach dem Einsatz der ‚Koalition der Willigen‘ 2011 und dem folgenden Bürgerkrieg ist das Land jedoch im Chaos versunken. Grassierende Armut, zerstörte Krankenhäuser, Menschenhandel sowie unsicherer Zugang zu Strom und Wasser haben es nun zu einem Sorgenkind der Welt gemacht. Mit dem sich jetzt abzeichnenden politischen Konsolidierungsprozess öffnet sich jedoch nicht nur die Möglichkeit einer stabilen Regierung, sondern auch ein freier Zugang zu den internationalen Ölmärkten. Denn bis vor kurzem gab es noch heftige Kämpfe um die Ölföderungsstätten im Süden und die Häfen im Norden. Abzuwarten bleibt, wie sich die Schutzmächte der einstigen Kontrahenten positionieren. Die Türkei hatte mit der GNA einen international nicht anerkannten Vertrag geschlossen, welcher ihnen den Zugriff auf weite Gebiete im Mittelmeer verspricht. Diese gehen zulasten Ägyptens, welches erwartungsgemäß wenig gewillt ist, dies hinzunehmen, und bereits in der Vergangenheit mit einer militärischen Intervention aufseiten der LNA gedroht hatte. Auch Russland, ein weiterer enger Verbündeter Haftars, scheint nicht gewillt, seine Söldner der Wagner-Gruppe sowie schweres Kriegsgerät aus dem Land abzuziehen, solange die türkische Militärpräsenz im Osten des Landes fortbesteht. So hoffnungsvoll der Friedensprozess auch gerade stimmt, so bedroht ist er weiterhin durch geopolitische Machtinteressen aus Kairo, Ankara und Moskau.
Myanmar – Geopolitische Implikationen des Staatsstreichs
10.02.2020 – Der aktuelle Putsch in Birma ist in der medialen Berichterstattung allseits präsent – weniger präsent sind jedoch die geostrategische Implikationen, die diese Entwicklung hat. Mit Beginn des Demokratiesierungsprozesses im Jahr 2011 wurde auch eine Abkehr von China eingeleitet, welches noch zu Zeiten der myanmarischen Militärdiktatur ein enger Verbündeter war. Durch den aktuellen Militärputsch wird das Rad wieder zurückgedreht. Gut erkennbar ist dies am Verhalten der USA und Chinas. So sehen letztere durch den Umsturz nur eine einfache ‚Regierungsumbildung‘, wohingegen die USA zusammen mit ihren europäischen Verbündeten die Ereignisse stark kritisieren. Was aber macht den geostrategischen Wert Myanmars aus? Ein möglicher Zugang zum indischen Ozean führt für China durch Myanmar. Damit hat Myanmar eine ähnliche Rolle wie Pakistan. Dieser Zugang hat für die Chinesen und ihre Projekte im Rahmen der neuen Seidenstraße einen hohen Wert. Gleichzeitig unterstützt es eine Umkreisungsstrategie gegen Indien – dem größten Konkurrenten in der Region.
China – Die Uiguren und der Islamische Staat
29.01.2021 – Auch wenn man nur noch wenig von dem Islamischen Staat hört, so ist er in vielen Gebieten immer noch sehr aktiv. Als Guerillatruppe agiert dieser nach wie vor in seinem ehemaligen Einflussbereich im Untergrund. Nicht zu vergessen sind auch weltweite Ableger im Nahen und Mittleren Osten und (vor allem) in Afrika. Die Gruppierung versucht weiterhin, sich als Retter von rechtgläubigen sunnitischen Muslimen darzustellen. Eine genauere Analyse zeigt allerdings, dass die Gruppierung in einem Bereich deutlich pragmatischer wird: Mit den von China unterdrückten muslimischen Uiguren nimmt es die Terrororganisation neuerdings nicht mehr ganz so genau. Wurden seit 2014 noch regelmäßig Schmähungen gegen China verfasst und Uiguren zu islamistischen Kämpfern ausgebildet, hat sich das ab 2017 massiv gewandelt, und man sieht in ihnen keine möglichen Verbündeten mehr. Die Anzahl der Internierungs-, Umerziehungs- und Arbeitslager, in welche die muslimischen Uiguren verbracht werden, steigt stetig an. Moscheen werden in Einkaufszentren umfunktioniert oder abgerissen. Gleichzeitig wird dies aber seltsamerweise kaum noch in Propagandabotschaften des IS thematisiert. Die wahrscheinlichste Antwort ist, dass China sehr viel Geld in Infrastrukturprojekte in der Region investiert hat und natürlich wie auch der Islamische Staat ein Interesse daran hat, den Einfluss der USA zurückzudrängen. Diese ziehen sich langsam aus der Region zurück und hinterlassen ein Machtvakuum welches auch dem Islamischen Staat nutzt.
Irak – Keine deutsche Waffen abhandengekommen
17.01.2020 – Für das Verschwinden deutscher Waffen im Irak konnten entgegen der Berichte zahlreicher Medien einem Bericht von Berlin Story News zufolge keine Hinweise gefunden werden. Diese wurden ab 2014 an die Peschmerga im irakischen Kurdengebiet geliefert, um sie im Kampf gegen den Islamischen Staat zu unterstützen. Nach Berichten des NDR, ARD, der Deutschen Welle sowie diverser anderer Medienhäuser, sollten diese auf Schwarzmärkten angeboten worden sein . Enno Lenze, erfahrener Journalist und bestens mit dem Land dort vertraut, hat sich daraufhin auf Spurensuche begeben. Das Ergebnis: Sämtliche Waffen sind bis heute einwandfrei nachzuverfolgen. Auch die von der Bundesregierung eingesetzten Beamten scheinen zu dem selben Ergebnis gekommen sein, da die Zusammenarbeit mit den irakischen Kurden nach wie vor von großem gegenseitigen Respekt und Vertrauen geprägt ist. Eine Richtigstellung durch die entsprechenden Redaktionen ist bisher leider nicht erfolgt. Gerade in Zeiten des großen Medienskeptizismus sollte eine hohe Sorgfaltspflicht und das Zweiquellen-Prinzip unabdingbar sein.