Ein Beitrag von Alex Kohler
Die Welt befindet sich in einer Phase tiefgreifender Umbrüche. Daher ist es für Deutschland und Europa von entscheidender Bedeutung, ambitioniert, flexibel und mit klugen sicherheitspolitischen Weichenstellungen und Maßnahmen auf die Entwicklung zu reagieren.
Die Ausgangslage der neuen Regierung ist dabei schwierig. Insbesondere durch den vorherigen Kanzler und seine sicherheitspolitischen Entscheidungen hat Deutschland nicht adäquat auf die sicherheitspolitische Lage reagiert und sich dadurch auch innerhalb der EU und der Nato isoliert – auch wenn man bemüht war, diesen Umstand vor der europafreundlichen Bevölkerung zu verbergen. Dies stellt zudem ein weiteres Indiz für die strukturelle Inkompetenz dar, vorwiegend im Hinblick auf die vorherige Regierung.
Man war und ist nicht in der Lage, einen adequaten Umgang mit der Achse der Autokratien zu finden, auch hier wird sich die neue Bundesregierung am Umgang mit Protagonisten wie Russland, Nordkorea, Iran, und China messen lassen müssen.
Beispielsweise gab es Herausforderungen, die durch gravierende Fehleinschätzungen und Entscheidungen im Umgang mit Russland viel Vertrauen gekostet haben – Vertrauen, das auch durch intensive PR-Maßnahmen nicht wiederhergestellt werden konnte. Bei den Verbündeten entstand der Eindruck, Deutschland werde von Moskau manipuliert – und dass sich mehr Agenten und Influencer in Berlin aufhielten als Französische zu Zeiten Napoleons. Aus russischer Sicht erscheint das plausibel. Das fälschlicherweise Lenin zugeschriebene Zitat „Wer Deutschland hat, hat Europa“ lässt erahnen, wie weit verbreitet diese Sichtweise in Russland ist.
Für Russland fungiert Deutschland sowohl als Geldpumpe, als auch als wichtigster Technologie-Lieferant. Dabei kann man auf alte Stasi- und KGB-Strukturen zurückgreifen. Über Jahrzehnte wurde zudem ein äußerst fragwürdiges, potemkinsches Russlandbild aufgebaut – in Westdeutschland vor allem durch die massive Beeinflussung der Friedensbewegung, in Ostdeutschland durch umfassende ideologische Prägung der Bevölkerung auf allen Ebenen. Die Opfer dieser jahrzehntelangen Gehirnwäsche sind heute besonders anfällig für russische Einflussnahme und kognitive Kriegsführung.
Gerade mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine treten die strukturellen Schwächen Deutschlands deutlich zutage. Auch die selbstgeschaffenen Abhängigkeiten im Energiebereich werden nun offensichtlich. Jahrzehntelange Fehlplanungen zwingen sowohl die alte als auch die neue Bundesregierung dazu, Gas als Brückentechnologie zu nutzen – inklusive der Planung von bis zu 40 neuen Gaskraftwerken, und das in einer Lage, in der Russland Erdgasabhängigkeiten gezielt als Waffe einsetzt.
Teilweise konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Kanzleramt und Bellevue bei der Verbreitung von Ängsten in auffälliger Weise mit Moskau koordiniert agierten. Russland verfolgt neben der Eroberung der Ukraine auch das Ziel, den Machtverfall durch die Auflösung der Sowjetunion rückgängig zu machen und die europäische Sicherheitsordnung in seinem Sinne neu zu gestalten. Hinzu kommt der Rückzug der USA aus Europa, der Russland sehr gelegen kommt. Diese Entwicklungen wurden im Kanzleramt bisher entweder nicht ausreichend erkannt – oder man versuchte weiterhin das altbekannte Spiel, alle gegeneinander auszuspielen.
Auch die Situation in den USA wurde komplett unterschätzt und durch das Betteln um militärische Hilfe durch den früheren Kanzler noch angeheizt, was in den beiden politischen Lagern in den USA nicht sehr gut ankam und faktisch bewusst oder unbewusst eine Trump und MAGA-Unterstützung im Wahlkampf darstellte. Mit der Trump-Wahl, dem nun sichtbar werdenenden „expansiven Isolationismus“ kommt nun für Europa die Aufgabe zu schnell selbst für die eigne Sicherheit zu sorgen. Unter expansivem Isolationismus kann man den isolationistischen Rückzug der USA aus weiten Teilen der Welt, bei gleichzeitigem Expansionismus in Bezug auf Eingliederungsversuche von Grönland, Kanada und dem Versuch, wieder Kontrolle über den Panamakanal zu erhalten verstehen. Denn Trump Administration würde sich offensichtlich gern auf den nordamerikanischen Kontinent beschränken und eine Mauer um Nordamerika errichten, mit Panama und Grönland als Eckpunkte dieser Zone nutzen und die Pax Americana auflösen und die Globalisierung zurückdrehen, die auf der Sicherung von Handelswegen durch die USA basiert. Lieferketten werden dadurch unterbrochen und neu geordnet.
Die disruptiven geopolitischen Veränderungen betreffen nicht nur Europa und die USA, sondern sind weltweit zu beobachten. Im Nahen und Mittleren Osten brechen alte Konflikte erneut auf. Am Geburtstag Putins wurde Israel von der Hamas überfallen – seither herrscht Krieg im Gazastreifen. Infolge dieser Ereignisse hat der Einfluss des Iran und Russlands in Syrien und im Libanon – etwa durch den Sturz Assads in Syrien und die Ausschaltung der Hisbollah – abgenommen. Dennoch bleiben die Huthi im Jemen aktiv und stören weiterhin den Schiffsverkehr im Roten Meer.
Asien gewinnt sowohl wirtschaftlich als auch politisch zunehmend an Bedeutung. Insbesondere China arbeitet intensiv daran, das Selbstverständnis als Weltmacht zurückzugewinnen – ein Anspruch, der in den vergangenen Jahrhunderten stark beschädigt wurde. Spannungen im Südchinesischen Meer, in Myanmar, mit Indien, die Ansprüche auf Taiwan sowie die Spannungen mit Japan sprechen eine deutliche Sprache. China hat die eigenen historischen Schwächen, die einst zu Niederlagen gegen europäische Mächte und Japan führten, analysiert und zieht daraus Konsequenzen: Das Land investiert gezielt in die Kontrolle globaler Handelswege – sichtbar in der „Belt and Road“-Initiative. China agiert langfristig und sichert sich Einfluss auf Schlüsseltechnologien und Produktionsprozesse. Der technologische und wirtschaftliche Vorsprung Europas und der USA schwindet, und auch die demografische Entwicklung trägt zusätzlich zu den globalen Umwälzungen bei.
Hinzu kommt eine angespannte Lage und zahlreiche Auseinandersetzungen in weiten Teilen des afrikanischen Kontinents. Äthiopien und der Sahelraum bilden eine einzige Konfliktzone. In Zentralafrika brechen zunehmend neue Konflikte aus, während internationale Akteure aus aller Welt – auf der Suche nach Rohstoffen – verstärkt in Afrika aktiv werden und versuchen, etablierte Mächte wie Frankreich zu verdrängen. China errichtet beispielsweise in Äquatorialguinea seine erste Marinebasis am Atlantik.
Neben diesen geopolitischen Entwicklungen haben auch technologische Fortschritte erheblichen Einfluss auf die globale Lage. Strategisch an Bedeutung gewinnen insbesondere Entwicklungen und Abhängigkeiten in den Bereichen IT, Künstliche Intelligenz und Raumfahrt. In diesen Sektoren tobt ein weltweiter Wettbewerb um die Vorherrschaft – denn sie sind entscheidend für die Zukunft.
Gerade für Europa ist es nun essenziell, mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen und eng zusammenzuarbeiten. Europa hat Potenzial – auch militärisch –, wenn es geeint handelt. Allzu oft entsteht jedoch der Eindruck, als sei einem Elefanten eingeredet worden, er sei eine Maus. Entscheidend ist allerdings, dass Deutschland sich nicht wie bisher isoliert, sondern vornehmlich mit Frankreich, Polen und Großbritannien an einem Strang zieht und Kräfte bündelt. Besonders im Verhältnis zu Polen ist es wichtig, auf Augenhöhe zu agieren – hier wurde in der Vergangenheit viel Porzellan zerschlagen.
Auf die beschriebenen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen muss die neue Regierung entschlossen reagieren.
Meine Befürchtung ist das Merz zwar Militär und Handelspolitisch als auch diplomatisch vieles richtig machen wird. Aber die Digitalisierungspolitik mit Vorratsdatenspeicherung, Chatkontrolle und Digital Only beim E-Government neue Sicherheitslücken schaffen wird. Gerade da wir weiter was Software angeht von den Trump USA abhängig sind, viel Hardware aus China kommt und Solaranlagen aus China womöglich sogar verwanzt sind. Da wird die CDU Regierung in Sachen Digitalisierung hinzu lernen müssen oder Sie wird zum digitalen Sicherheitsrisiko. Nicht nur für Deutschland sondern auch Europa.