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ein Beitrag von Alexander Kohler

Wie Deutschland Putin hilft, absichtlich oder durch strukturelle Inkompetenz?

 

Nehmen wir einfach hypothetisch an, mit dem Angriff auf die Ukraine wäre es essentiell wichtig für Russland, auch ausserhalb der Ukraine aktiv zu werden, um seine geopolitischen Ziele durchsetzen zu können. Und damit auch wiederum das Kampfgeschehen in der Ukraine zu beeinflussen. Im Dezember 2021 haben mein Co-Autor Schoresch Davoodi und ich schon den hybriden Werkzeugkasten von Putin beschrieben.

Der Einsatz der militärischen Komponente ist ja nur das offensichtlichste Element des Konfliktes. Es gibt aber daneben eine Reihe von Maßnahmen, die in der Öffentlichkeit kaum auffallen. Die Angst in Deutschland, durch Unterstützung der Ukraine Kriegspartei zu werden, wird insbesondere bei russlandtreuen Protagonisten in Deutschland gerne geschürt. So werden beispielsweise Lieferungen von schweren Waffen wie Leoparden und Marder von Deutschland an die Ukraine mit der seltsamen Argumentation verhindert, Deutschland werde damit Kriegspartei. Da es völkerrechtlich vollkommen in Ordnung ist, dem Opfer eines Angriffskrieges Waffen zu liefern, und da man – ohne, dass es problematisch wurde – bereits Panzerhaubitzen und anderes Gerät geliefert hat, ist die Argumentation natürlich und offensichtlich komplett falsch. Allerdings gehören auch die Verbreitung solch flacher Argumente und Narrative zur Strategie Russlands, sie werden einfach oft genug wiederholt und bleiben dadurch hängen. Dabei ist Deutschland schon seit langem ein Hauptangriffsziel Russlands und wird auf verschiedenen Ebenen angegriffen. Jetzt fragt man sich natürlich, wenn man sich noch nicht so lange mit Geopolitik oder der Thematik beschäftigt, warum sollte ein so friedliches Land wie Deutschland angegriffen werden, und warum bekommt man davon nichts mit.

Warum wäre Deutschland ein Hauptziel eines hybriden Angriffs von Russland?

Fassen wir einfach mal zusammen, warum sich Deutschland als Hauptziel eines hybriden russischen Angriffs eignet und gehen dann auf mögliche Tools und Ansätze für Angriffe ein. Machen wir uns bewusst, dass Putin seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf das Ziel eines wiedererstarkten Russlands der alten Größe als Supermacht hinarbeitet. Als jugendlicher Straßenschläger hat er schon früh gelernt, dass es in der Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Opponenten wichtig ist, sich den größten Gegner herauszusuchen und gezielt zu bekämpfen, denn die anderen fallen danach von alleine. Warum also Deutschland:

  • Deutschland ist die größte Wirtschaft in der Europäischen Union und hat innerhalb Europas eine herausragende Stellung – und damit Einfluss auf seine Nachbarn. Eine Zielsetzung Russlands ist es, die EU und Nato zu spalten, also nach dem Prinzip „Teile und Herrsche“ vorzugehen. Nach dem Straßenschläger-Prinzip bietet sich hier natürlich an, nach dem bewehrten Prinzip „Bekämpfe den Größten“ auf Deutschland zu zielen. Dies wurde im Rahmen seiner Karriere weiter ausgebaut.

 

  • Der Logistikhub der EU ist – einfach aufgrund seiner zentralen Lage Deutschland. Über die Wasserstraßen Elbe oder die Verbindung zwischen Rhein und Donau. Oder Eisenbahn und Autobahnverbindungen. Auch beherbergt Deutschland sowohl zivile, als auch militärische Luftfahrt-Drehkreuze. So ist Deutschland immens wichtig für den Tranport von Material und Personal in osteuropäische Staaten. Gleichzeitig beherbergt Deutschland NATO Einrichtungen und Basen von Verbündeten. Dies wurde beispielsweise in der NATO-Übung Defender Europe 2021 getestet.

 

  • Wirtschaftlich war und ist Deutschland eng mit Russland verknüpft. Dies wurde unter dem Motto „Wandel durch Handel“ vorangetrieben. Eine starke deutsche Abhängigkeit bei Gas, Kohle und anderen Rohstoffen beispielsweise ist jetzt unübersehbar. Wie man dies als Waffe nutzen kann, wurde bereits Mitte 2021 für die Allgemeinheit sichtbar. Deutschland gilt als Haupt-Geldpumpe für das Putin-System, das besonders auf Rohstoffexport setzt. Diese Abhängigkeit ist – anders als bei den Russland-affilierten Handlangern – für Deutschland natürlich nicht nur einseitig. Russland ist in den Bereichen Maschinenbau, Energietechnik, Transport (vor allem Eisenbahntechnik) und Hochtechnologie seinerseits extrem abhängig von Deutschland. Hier ist es für Russland extrem wichtig, das die erforderlichen Güter weiterhin nach Russland kommen, um seine imperialen Ambitionen ausüben zu können.

 

  • Natürlich ist Deutschland durch seine Einflussmöglichkeiten innerhalb der EU und Nato, inklusive entsprechender Blockademöglichkeiten, auch ein lohnendes Ziel von Einflussnahme. Denn Russlands Ziel ist es, die NATO und die EU zu Spalten, sodass Russland zum Einen zu alter Größe aufsteigen kann und zum Anderen seine Kontrolle auf ganz Europa ausweiten kann. Natürlich kann man auch erstmal kleinere Brötchen backen und Russland auf andere Weise helfen. Deutschland kann zum Beispiel die Waffenhilfe für die Ukraine behindern. Eine Blockade und Verzögerunspolitik seitens Deutschlands wäre sicher im Sinne Russlands. Eine Einflussnahme im Hintergrund und via bürokratischer Möglichkeiten auf Entscheidungsgremien würde sich auch schon lohnen. Was könnte sich Russland also seitens Deutschlands wünschen? Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde massiv deutsches Militärgerät in verbündete Staaten verkauft. Dies betraf sowohl westdeutsches Material wie Leopard Panzer, als auch NVA-Gerät wie MIGs Panzer sowjetischer Bauart und anderes Gerät. Große Teile des in Europa verwendeten Rüstungsmaterials aus Deutschland fällt nun allerdings unter eine Endverbleibsklausel. Wollen die derzeitigen Besitzer des Materials selbiges also an ein anderes Land weitergeben, hat Deutschland eine Einspruchsmöglichkeit. Das würde sich hypothetisch zur aktiven Blockade anbieten, denn für jegliche Weitergabe dieses Rüstungsmaterials ist die Zustimmung des Bundessicherheitsrates – unter Vorsitz des deutschen Bundeskanzlers – notwendig. Es wäre für Russland natürlich absolut genial, wenn Deutschand wenigstens hier verzögern könnte. Diese für Russland willkommene Unterstützung könnte auch gut getarnt werden, denn öffentlich pro Putin zu arbeiten – und damit gegen deutsche, ukrainische, NATO- und EU-Interessen – dürfte natürlich in der Öffentlichkeit nicht ganz so gut ankommen. Was man also zum Beispiel machen kann: Intern könnte man mit einem Großen Drama die anderen Partner – also alle möglichen Lieferanten – dazu bringen, nichts zu liefern. In der Öffentlichkeit kann man dann mit „Wir liefern natürlich nur in Abstimmung mit anderen“ oder „keine Alleingänge“ verkaufen, warum man selbst nichts liefern will – dass man seine Partner quasi dazu gezwungen hat, sich zurückzuhalten, braucht man ja nicht breitzutreten. Wenn man dann liefern muss, weil andere auch liefern, wäre es auch eine Möglichkeit, Systeme zu liefern, zu denen dann plötzlich keine Ersatzteile und Munition mehr verfügbar sind. Oder man liefert einfach ganz spezielle Systeme wie Iris – T, die kaum in großen Stückzahlen vorhanden sind. Aber die Waffen, die die Ukraine möchte und bei denen sie sich schon mit der deutschen Industrie handelseinig ist (zum Beispiel ausgemusterte Leopard 1), werden blockiert.

Möglichkeiten der Beeinflussung Deutschlands im russischen Sinne

Wie kann man jetzt beispielsweise, von seiten Russlands, die beschriebenen Möglichkeiten im eigenen Sinne aktiv nutzen, um die eigenen Ziele beispielsweise in der Ukraine zu erreichen? Hier bietet sich im Bereich der hybriden Kriegsführung ein breites Instrumentarium an, bei dem dem Gegner oft gar nicht richtig auffällt, das er angegriffen wird. Am besten ist es doch immer, wenn dem Ziel nicht mal auffällt, was gerade passiert.

Kommen wir deshalb auf die möglichen Tools zur Einflussnahme, konkret auf Deutschland bezogen, zurück. Für den Bereich der kognitiven Kriegsführung von russischer Seite ist Deutschland das fast ideale Ziel. Seit den 70ger und 80ger Jahren hat die Sowjetunion – auch die DDR – massiv versucht, auf die (west-)deutsche Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Die DDR konnte sogar massiv muttersprachliches Personal und auf Westdeutschland ausgerichtetes Personal zur Verfügung stellen. Durch den Besatzungsstatus, und um aus Sicherheitsgründen die unbedingte Loyalität der Bevölkerung, zu sichern wurde auch in der DDR in Schule, Universität und Öffentlichkeit allgemein darauf geachtet, die imperiale Legitimation der Sowjetunion in den Köpfen zu verankern. Gleichzeitig wurden auch die Sowjetischen Opfer des Zweiten Weltkriegs tief im Bewusstsein der ehemaligen DDR Bürger verankert. Später wurde diese Rolle der Sowjetunion ausschließlich von Russland übernommen. Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die teilweise mehr unter Deutschland zu leiden hatten – wie die Ukraine, die im Zweiten Weltkrieg einen immensen Blutzoll leistete – sind somit im öffentlichen Bewusstsein nicht präsent. Man kann sich sicher vorstellen, wie Manuela Schwesig, die heutige Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, während ihrer Schulzeit am Gymnasium Seelower Höhen mit Sichtweite auf das Schlachtdenkmal besonders auf die Sowjetunion und Russland geprägt wurde. Natürlich gab es seit den 90ger Jahren auch eine massive Einwanderung nach Deutschland aus ehemaligen Staaten der SU, darunter auch aus Russland. Auch hier kann man natürlich ansetzen, mit Einflussnahme via staatstreuer Medien wie Russia Today und einem breiten Spektrum von Propagandakanälen Einflussnahme zu betreiben.

Im Westen Deutschlands hingegen versuchte man seitens DDR Sowjetunion und später Russlands vor allen über linke Bewegungen,  Gewerkschaften, Terrorgruppen wie der RAF oder gesellschaftlichen Bewegungen wie der die Friedensbewegung oder der Anti AKW Bewegung, Einfluss zu nehmen oder aber gleich auf Parteien. Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung in den 70ger und 80ger Jahren ist natürlich am Widerstand gegen den NATO Doppelbeschluss ersichtlich, was auch zum Sturz des damaligen Kanzlers Helmut Schmidts führte. Ein weiteres wichtiges Ziel ist und war es natürlich, die Schaffung eine anti-amerikanischen Grundstimmung zu erzeugen und die Sowjetunion als natürlichen Gegenpol in der öffentlichen Meinung zu etablieren. Wobei hier natürlich auch hilft, das keine Macht, ob groß oder klein, komplett harmlos ist und natürlich auch Angriffspunkte bietet. Wir sehen die Effekte heute im typischen Argumentationsstil „aber die Amerikaner …“. Hier werden natürlich auch oft die selbstkritischen und phantasievollen Produkte der amerikanischen Film- und Medienindustrie genutzt, um Grundlagen und Argumente zu setzen. Auch auch Legenden um Biolabore oder Supersoldaten nutzen oft phantasievolle Grundlagen der westlichen Filmindustrie aus, um Verschwörungstheoretiker einfangen zu können, die sich ihre eigene Aluhutwelt geschaffen haben. Sich allerdings nur auf eine politische Richtung zu beschränken wenn es doch noch weitere leicht nutzbare Tools geben könnte die man leicht unterwandern kann, wäre aus russischer Sicht natürlich fahrlässig. Deutschland bietet hier perfekte Bedingungen: Man kann ja theoretisch auch rechte Parteien wie die AfD, Aktivistenorganisationen aus verschiedenen Bereichen und viele weitere Teilnehmer an der öffentlichen Debatte nutzen. Hauptsache, es kracht, spaltet und zersetzt. Das Deutschland von heute bietet hier einfach einen perfekten Nährboden.

Wer Narrative setzen kann und die sicherheitspolitischen Debatten kontrolliert, der siegt.

Von Russland aus betrachtet ist es natürlich auch wichtig, Einfluss auf Narrative oder sicherheitspolitisch relevante Themenfelder zu erlangen. Aus russischer Sicht wäre es natürlich sinnvoll, im akademischen Bereich der Friedens- und Konfliktforschung Einfluss zu nehmen. Im Bereich Geschichte hat sich ja auch Putin selbst als Historiker gegeben und wollte so die intellektuelle Grundlage für die Auslöschung der Ukraine schaffen. Natürlich ist es hier auch wichtig, bekannte Experten zu Russlandfragen oder in der militärischen und geopolitischen Analyse langfristig zu etablieren, um ein russlandgenehmes Bild in der Öffentlichkeit zu erschaffen und besonders in Krisenzeiten wie dem Überfall auf die Ukraine zu nutzen. Natürlich wären hier Auswüchse, wie wir sie bei einigen deutschen Intellektuellen, Analysten und Beratern mit einem festgefügten potomkinartigen Russlandbild beobachten können, sehr im Sinne Russlands.

Um bei einer Gesellschaft einen nachhaltigen Effekt zu erzielen ist es natürlich wichtig, die ideologischen Grundlagen über Jahrzehnte überall zu etablieren – im Bildungsbereich, der Politik, dem Militär, der Diplomatie, den Geheimdiensten, der Wirtschaft und den Medien. Um nach Jahrzehnten die Früchte ernten zu können, muss das intensiv beeinflusste Personal ja an den entsprechenden Schlüsselpositionen sitzen, was man natürlich auch von russischer Seite fördern möchte. Hier ist anzumerken, dass sich Deutschland nach der Wiedervereinigung plötzlich vom Frontstaat für die deutschen Verantwortlichen zu einer sicherheitspolitisch heilen Welt, umgeben von Freunden, gewandelt hat. Sodass man sich in der Lage sag, Maßnahmen gegen Unterwanderung abbauen zu können. Leider war man in Russland anderer Ansicht und hat die Mittel für die Geheimdienste nach 1990 massiv aufgestockt, beziehungsweise haben sich die russischen Dienste zusätzliche Geldquellen aus der organisierten Kriminalität und wirtschaftlichen Unternehmungen gesichert. Wenn man hier strategisch vorgehen würde, würde man an der Stelle Russlands natürlich auch auf die Idee kommen, ehemalige DDR Strukturen und qualifiziertes Personal von Stasi und anderer Organisationen zu nutzen. Natürlich hätte sich hier auch angeboten, dass man nach der Wende um des Friedens willen beim Aufräumen nicht zu genau hingeschaut hätte, und die Strukturen noch heute Potenzial böten. Im Video von Navalny  wird zwar intensiv das System Putin in Russland und sein Palast betrachtet, allerdings gibt es am anfang dieses Videos sehr interessante Ansätze, bei denen man die Netzwerke Putins in Deutschland zumindest erahnen kann. Deutschland bietet also für Elemente der hybriden z.b. Kriegsführung optimale Bedingungen.

Wie schwäche ich die deutsche Verteidigung?

Wie kann man also von außen dieses Potential für einen hybriden Angriff nutzen? Natürlich wäre es optimal, wenn man nach der der Wende, um des Friedens willen, nicht zu genau hingeschaut hätte und über die vorhandenen, bekannten oder von Moskau kontrollierten Strukturen den Mantel des Schweigens gebreitet hätte. Tiefe Stasi-Strukturen und vorhandenes Kompromat würden bestimmt viel Potenzial bieten; Russland wäre bestimmt nicht so so bösartig und würde das Potenzial tatsächlich zu nutzen. Da müsste man ja ein Kalter Krieger sein, so etwas überhaupt anzunehmen. Man muss ja Brücken über Osteuropa hinweg nach Russland bauen, und den Faden nach Russland darf man auch nicht abreißen lassen. Weitere Einflussmöglichkeit bietet natürlich Geld von Seiten des russischen Staates, von Staatsunternehmen oder von Oligarchen, die in Russland unter Putins Kontrolle stehen. Dieser illustre Oligarchenkreis, der innerhalb Russlands auch als Putins Geldbörsen bekannt ist, wurde über die letzten Jahrzehnte durch maffiöse Methoden absolut im Sinne von Putin gefügig gemacht. Wer nicht mitspielt kann diverse Probleme bekommen, man stürzt leicht aus dem Fenster, von Yachten, oder kommt bei schamanistischen Zeremonien zu Tode.

Nehmen wir jetzt einfach mal an, die Verantwortlichen hätten sich in der Euphorie der Wendezeit in einem sicherheitspolitischen Teletubbyland gewähnt und nach der Wende sämtliche Sicherheitsmaßnahmen gegenüber Russlands – nicht nur militärischer Art sondern auch im Bereich der inneren Sicherheit – heruntergefahren. Russland hätte zeitgleich die Mittel aufgestockt und zudem noch die Strukturen der DDR-Dienste zum Teil übernommen. Was würde das für unsere Sicherheit bedeuten? Hier muss man natürlich auch die Langfristprojekte, ausgerichtet ein perfektes Umfeld für eine Einflussnahme zu schaffen, betrachten. Was wäre denn, wenn man die Abwehr gegen russische Aktivitäten einschränken würde? Da kommt einem natürlich in den Sinn: Hatte man nicht unter Bundeskanzler Schröder 2004 die Abwehrmöglichkeit des BND gegenüber russischen Aktivitäten abgebaut? Die Zuständigkeit für die Geheimdienste liegt hier beim Kanzleramt. War nicht zwischen 1999 und 2005 ein gewisser Bundesminister Frank-Walter Steinmeier als Chef des Kanzleramts für die Dienste zuständig? Pikanterweise wurden erst ab 2017 langsam wieder Abwehrmaßnahmen aufgebaut. Natürlich wäre es naheliegend für andere Dienste, diese natürliche Immunschwäche auszunutzen. Aber so etwas niederträchtiges würde Russland natürlich nicht machen, dachten die für die Entscheidung Verantwortlichen scheinbar in ihrer herzensguten Art. Ein absolutes Drama. Im guten Gauben den Faden nach Russland nicht abreissen lassen und dann wird man so dreist hintergangen. Man ist sicher untröstlich und kann sich nicht erinnern.

Natürlich müsste man, um ein solches paradiesisches Umfeld für eine Einflussnahme schaffen zu können, massiven Einfluss auf die deutsche Politik ausüben. Schauen wir uns jetzt einmal die Einflussnahme auf Parteien und andere politische Organisationen wie gesellschaftlichen Bewegungen an. Wäre man jetzt so dreist und würde unsere demokratischen Strukturen und Möglichkeiten nutzen wollen, wie würde man vorgehen? Vorausgesetzt man wäre hier tatsächlich schon seit Jahrzehnten aktiv, hätte Narrative gesetzt und auch schon ideologische Grundlagen mitgestaltet. Möglichkeiten der legalen Einflussnahme auf Parteien haben sich über die letzten Jahrzehnten immer weiter verstärkt, auch bekannt unter dem Begriff Lobbyismus. Ein so friedensliebender Staat wie Russland, angeführt durch einen ehemaligen KGB Agenten (anscheinend eine karitative Organisation) der ja nur aus humanitären Gründen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, würde so etwas wie Lobbyismus natürlich niemals nutzten? Oder doch, welch schrecklicher Verdacht, Lobbyismus durch Russland afillierte Protagonisten, wie furchtbar. Lobbyismus hat inzwischen ein enormes Ausmaß erreicht. Allein in Brüssel sind schätzungsweise 25,000 Lobbyisten unterwegs.  Für Deutschland geht man von etwa 5,000 Lobbyisten aus.  Die Möglichkeiten von Lobbyismus sind natürlich auch für staatliche Akteure immens, die Regelungen schwammig, die Abgrenzung zu Korruption kaum machbar und die Verfolgung ist wegen diverser Hürden nicht sehr ausgeprägt – nur sehr selten wird so intensiv durchgegriffen, wie es die belgischen Behörden im Fall einer sozialdemokratischen EU-Parlamentsvizepräsidentin kürzlich getan haben.

Nehmen wir jetzt an, Russland würde Ähnliches machen und habe – wie US Dienste berichten – seit 2014 etwa 300 Millionen in politische Parteien und Kandidaten in mehr als zwei Dutzend Ländern investiert, um Einfluss auf die dortige Politik zu nehmen.  Das wäre kritisch zu sehen. Natürlich würden hier auch die Oligarchen (Geldbörsen Putins) oder staatliche russische Konzerne, beispielsweise aus dem Erdgas-Bereich, zusätzliche Möglichkeiten und Geldmittel zur Einflussnahmen darstellen.

Wie das Oligarchensystem Einflussnahme in Europa ermöglicht zeigt sich gut in London – auch liebevoll „Londongrad“ genannt. Da es als Wohnort bei Oligarchen, die in Russland unter Putins Kontrolle stehen, sehr beliebt war, hätte Russland einen Fuß in der Tür, um bei Brexit und anderen politischen Entwicklungen Einfluss zu nehmen. In Großbritannien ist man allerdings lernfähig und lässt sich seine Sicherheitspolitik nicht von Russland diktieren, wie am Beispiel der Ukraine offensichtlich wird. Da ist Deutschland nicht so weit, und insofern besser geeignet als Ziel russischer Einflussnahme. Der illustre Oligarchenkreis wurde über die letzten Jahrzehnte durch maffiöse Methoden absolut gefügig im Sinne Putins gemacht. Wer nicht mitspielt, kann Probleme bekommen: man stürzt leicht aus dem Fenster, von Jachten, oder kommt bei schamanischen Zeremonien zu Tode. Diese Putin’schen Geldbörsen wurden beispielsweise auch für den Bau von Putins Palast in Anspruch genommen und durften sich finanziell beteiligen. Aktuell müssen diese gezähmten Oligarchen ihre Schatztruhen öffnen, um die Rüstungsproduktion zu unterstützen. Zu Ihrem Frust dürfen sie sich hier allerdings nicht – wie bislang üblich – umfangreich selbst bedienen.

Insbesondere die aufgebauten Abhängigkeiten Deutschlands im Energiebereich wären hier interressant. Das Nord Stream 2-Drama oder die sicherheitspolitisch unglaubliche Entscheidung unter dem zuständigen Minister Sigmar Gabriel, Erdgas-Speicherverkäufe an Russland zu genehmigen sind hier kapitale Fehlleistungen. Die Fehler Deutschlands im Energiebereich, und die Folgen dessen für die Europäische Gemeinschaft, haben wir an anderer Stelle umfangreich dargestellt . Ihre Auswirkungen können wir derzeit an unseren Lebenshaltungskosten leicht erkennen, sowie an den Versuchen besonders von putinfreundlichen Parteien hier politisches Kapital aus der Energieerpressung schlagen zu wollen. Pikanterweise wurden ab Mitte 2021 die von Russland kontrollierten Gasspeicher nicht wie üblich in Vorbereitung auf die kalte Jahreszeit aufgefüllt. Stattdessen wurde noch kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine das dort noch vorhandene Gas in großen Mengen auf LNG Frachter gepumpt und dann zum neuen, ohne Proteste von Umweltschutzgruppen fertiggestellten LNG Terminal in Kaliningrad gebracht, um eine gewisse Energieunabhängigkeit der Exklave an der Ostsee gewährleisten zu können.

 

Nord Stream – Die Isolation Deutschlands durch unverantwortliche Außen- und Sicherheitspolitik

Wenn man jetzt hypotetisch animmt, dass es von russischer Seite eine unmittelbare Einflussnahme in Deutschland gab, dann wäre es doch seltsam, dass es noch keine Verhaftungen im Brüssler Stil gab. Man müsste ja von Außen betrachtet den Eindruck gewinnen, dass die Strukturen in Deutschland sehr weitreichend sind – wie jüngst zum Beispiel von Correctiv.org dokumentiert. Seltsamerweise würde das auch zu Eindrücken passen, die man in internationalen Diskussionen zu Geopolitik bekommen kann. Dort gilt Deutschland inzwischen als korrupte Bananenrepublik, und aus Ländern, die von Deutschland früher als korrupt gebrandmarkt wurden, kommen Stimmen, die inzwischen sagen: Also, da ihr uns anscheinend schon bezüglich Korruption offensichtlich überholt habt wenn wir uns Nord Steam und das mit den Waffenlieferungen an die Ukraine ansehen, brauchen wir uns euer oberlehrerhaftes Getue nicht mehr anhören. Kümmert euch darum, bei euch selbst aufzuräumen.

Hier könnte man unter dem Eindruck des russischen Überfalls auf die Ukraine natürlich die Theorie aufstellen, dass aktuell besonders pro-russische Narrative und Kommentare von Parteien mit intensiven Verbindungen nach Russland verbreitet werden. Diese können eventuell auch durch die beschriebenen finanziellen Ströme gefördert werden. Zufälligerweise ähneln sich hier die Argumentationslinien der Parteien DieLinke, der AfD sowie Teilen der SPD besonders. Und unterstützen zufällig auch die Linie Moskaus, wobei es wohl bei jeder Partei einige geben dürfte, die eben das anstreben. Für das rechte Spektrum, das besonders von Dugin betreut wird, gibt es interessante Erkenntnisse, die Reuters schön darstellt hat.

Nehmen wir zusätzlich noch an, dass wichtige politische Multiplikatoren, durch russische Dienste und gewonnene Informationen und Netzwerke, Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz gewonnen hätten. So ein Bundestagshack und andere Aktivitäten könnten hier – hypotetisch – hilfreich sein.

Insgesamt bietet sich hier also aus gewissen Perspektiven ein äußerst erschreckendes Bild. Würde das sich als korrekt erweisen, wäre Deutschland innerhalb seiner Verbündeten isoliert. Der Schaden auf politischer und wirtschaftlicher Ebene wäre immens und würde nicht leicht zu beheben sein. Man würde Russland – ob bewusst oder unbewusst oder beides in Teilen – bei einem Angriffskrieg unterstützen und wäre mit verantwortlich für viele Tote. Man hätte durch die Schaffung von Abhängigkeiten und eine fehlende Absicherung massiven Schaden an der Wirtschaft und bei Privathaushalten verursacht. Natürlich kann man hier die Frage aufwerfen, wie könnte man das Problem denn lösen, das offensichtlich so tief sitzt, das man hier sehr robuste Maßnahmen ergreifen müsste?

13 comments on “Wie Deutschland Putin hilft, absichtlich oder durch strukturelle Inkompetenz?

  1. Jan Petters

    Das ist eine sehr gute Analyse.
    Auch das Thema Erdogan, Osmanische Reich wäre interessant.

  2. Der 1. Friedensvertrag (Minsk) scheiterte, weil Ukraine-Nazis ihren Verhandlungsführer auf dem Rückweg ermordeten. Die 2. Friedensverhandlung (Ankara) scheiterte an Boris Johnson.
    CIA-Analysen belegen klar, dass die Russen (wie auch die Chinesen) nicht auf Expansion aus sind und waren (wie der kolonial reich gewordene Westen), sondern nur ihr Land erhalten wollen.
    Die NATO-Ost-Expansion (entgegen aller Zusicherungen im deutschen Wiedervereinigungskontext) der CIA-Maidan von Fuck The EU Nuland, die Deutsch-Französisch-Ukrainische Ignoranz des Minsk-2 Abkommens (UN-Völkerrecht!) und mehr als 14-tausend Ziviltote im Donbas durch Beschuss vom Nazi-Regime in Kiew, der Applaus für (Z)Elenskies atomare Aufrüstungspläne auf der Münchner Sicherheitskonferenz sind einfach zuviel gewesen. Dazu kommen die >40 Biowaffeblabore der USA in der Ukraine mit so perfiden Ideen, wie Bewaffnung von Zugvögeln (die nur über Russland ziehen) mit genetisch auf den kaukasischjen Genotyp abgestimmten Viren.
    Ein amerikanischer Ex-General hat im Februar gesagt, der größte Fehler der Russen war, dass sie 8 Jahre lang eine friedliche Lösung anstrebten ohne Aufsplittung der Ukraine, anstatt gleich 2014 mit Minsk-1 die eingekesselten NATO-Soldaten zu erledigen. Der (Anglo-Amerikanische) Westen wollte nie Frieden, sondern bis heute Russland filetieren, was seit Putin misslang. Die Oligarchen in London wollen keine Steuern zahlen (in Russland, das war alles was Putin von ihnen verlangte).
    Wir können nur froh sein, dass nicht solch ungebildet-dumme West-Politiker oder gar Hardliner wie Medwedijev in Russland regieren und wir sollten besser fragen:
    Warum soll die EU und DE die Kosten des US-Lend/Lease Programm der USA tragen (was weit vor Kriegsbeginn beschlossen wurde)?
    Warum wird nicht veröffentlicht, wer tatsächlich die Pipelines gesprengt hat?
    Wer (fast allein) profitiert vom Krieg (mit Export von LNG & Waffen und der Verlagerung deutscher Unternehmen)?
    Kurz gesagt: Wie konnten Sie nur derart viel Unsinn zusammenschreiben?

    Ach-Ja, die Chinesen werden niemals die (keineswegs versehentliche) Doppel-Bomardierung ihre Botschaft in Belgrad vergessen. Die gebildeten Deutschen werden auch nicht Scharping/Fischer und die Grün-Braune Ära damals wie heute vergessen, Kommen Sie zur Besinnung, ansonsten ist das ursprünglich mal interessante Projekt Piraten-Partei weiter im Sinkflug.

    • Katrin Kaltofen

      Ist das hier wirklich der richtige Platz um russländische Propaganda eins zu eins zu wiederholen?

      Eine solche Ansammlung von dümmlichstem Propagandamüll, wie in Ihrem Post findet man selten. Noch dazu unter einer so detaillierten und überzeugenden Analyse wie der obigen von Alexander Kohler.

      Keine Lust zu lesen? Zu dumm zum sinnerfassenden lesen, oder einfach nur mal Propaganda absondern?

  3. Thomas Konermann

    Respekt! So eine gute Analyse habe ich in letzter Zeit nirgendwo sonst gelesen.
    Habe die Piratenpartei bisher nie für voll genommen. Was jedenfalls die Außenpolitik betrifft, hat dieser Artikel das radikal verändert.
    Leider bestätigen Sie meinen Verdacht, dass wir in Dtschld. eine sog. 5. Kolonne haben, inkl. russischen Schläfern. In dem Punkt hatten die geschmähten „Kalten Krieger“ der Nachkriegszeit also recht gehabt. Hatte als politischer Amateur, der nicht ständig alle Medien dazu studieren kann, bisher keine Belege dafür.
    Im Gegensatz zu vielen Spitzen- politikern und Journalisten bin ich bereit der Wahrheit ins Auge zu blicken.

    • Alexander Kohler

      Danke Für das Feedback, wir haben hier auf der Seite noch weitere Beiträge, in diesem Themenfeld.

  4. Michel Weiss

    Gute Ideen, aber bitte auch mal vorher Rechtschreibung rüberlaufen lassen. Und das Wörtchen „natürlich“ ist inflationär (40 Mal) genutzt worden. Aufgefallen?

  5. Grit Penzler

    wäre ein wundervoller Debattenbeitrag im „Freitag“
    Piraten werden in der analogen Zeitungswelt sonst doch nie gesehen.

    • Alexander Kohler

      Vielen Dank, würden wir natürlich gerne dort bringen. Allerdings werden da wohl eher andere bevorzugt.

  6. Petra Müller

    Selten so eine russophobe Scheiße gelesen. Aber wir sehen ja, woher es kommt und von daher muss diese Analyse- wohl eher kranke russophobe Propaganda aus dem Anus der Amis – genau so ausfallen. Nur schade, dass solche Russophoben nie zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es wie angekündigt schief geht. Er wird für sein Vaterland nicht an der Front verteidigen, sondern wie es sich für einen Amianusanhänger gehört, sich rechtzeitig in die USA verpissen.

  7. Markus Wolff

    Beitrag von Thomas Konermann (13. Januar 2023) könnte auch von mir stammen. Mit dem Zusatz, dass dieser inspirierende,
    weil (auch sprachlich vorzügliche gestaltete) Text eine Sichtweise präsentiert, die sich mit meiner eigenen, bisher eher „bauchmäßigen“ Wahrnehmung des Geschehens seit Anfang 2021 nahezu 100%ig deckt. Lektüre von Christopher Wylie’s „Mindf*ck“ (2019) letzten Sommer hatte mich weiter sensibilisiert und Szenarien im Kopf entstehen lassen, die man – mutatis mutandis – auch wohl hier
    in D wiederfinden dürfte. Dachte ich zunächst. In der Anwendung auf das real beobachtbare Verhalten mancher Politiker – rechts-/linksaußen, aber auch bei gewissen Zirkeln „mittig“ angesiedelter Parteien kam dann der Verdacht auf, es könnte noch weitaus schlimmer sein – weil Putin womöglich schon sehr viel länger als nur erst in den letzten Jahren einen Angriffskrieg vorbereitete, dessen Ziele der Doktrin Alexander Duginas folgten (Russlands Interessensphäre bis Lissabon!). Danke für die Analyse!

  8. Andreas Nothelle

    Jetzt reiht sich auch die Piratenpartei unter die Verschwörungstheoretiker ein. 5. Kolonne? „Alle Wege der SPD führen nach Moskau“ hat schon Adenauer plakatieren lassen. Ihr wärt besser bei Euren Ursprungsanliegen geblieben. Die waren mir grundsätzlich sympathisch. Oder geht es Euch finanziell so schlecht, dass Ihr Sponsorengelder von Rheinmetall etc. einwerben müsst?

  9. Andreas Nothelle

    Wer nicht kritikfähig ist, sollte sich nicht als Opfer darstellen.

  10. Guter Artikel, wäre mal schön wenn Piraten das dann auch besser vermarkten würden. Denn ich finde die vielen Seiten und Plattformen mit Subdomains und so weiter bei Piraten schon etwas chaotisch. Das gehört doch irgendwie alles auf eine gut gemeinsame Seite.

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