AG Außenpolitik Allgemein Hintergrundbericht

Der russische Informationskrieg – Wie die Ukrainefrage auch den Nahen Osten und Afrika berührt

Dies ist ein Beitrag des Themenbeauftragten Europa und keine offizielle Parteimeinung

Russland ist in Europa und auch in Nordamerika dabei, den Informationskrieg um die Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu verlieren, bis auf ein paar ideologisch fest an der Seite Russlands stehende Akteure wie zum Beispiel Teile der AfD und der Linken, aber auch der SPD in Deutschland.1 Die deutsche „Friedensbewegung“2 ist derweil in dieser Frage auch entlang der Generationslinien gespalten.3 In Europa sieht es daher vorerst schlecht aus, dass die russische Propaganda verfangen kann. Anders sieht das jedoch in anderen Teilen der Welt aus. So gewinnt beispielsweise Russland in Indien den Informationskrieg.4

 

Anker Auf dem afrikanischen Kontinent und im Nahen Osten fällt die Propaganda Moskaus dagegen eher auf fruchtbaren Boden. In Mali, wo Frankreich sich intensiv bemüht seinen Einfluss zu erhalten, hat Moskau seit dem Putsch in diesem Jahr an Einfluss gewonnen.5

 

Anker Für Moskau ist es wichtig neue Verbündete zu gewinnen, während der klassische russische Einfluss in Europa durch die Folgen seines Überfalls auf die Ukraine kurz bis mittelfristig zurückgehen könnte. Europäische Staaten und die USA haben auf dem afrikanischen Kontinent wie auch in großen Teilen des Nahen Osten im Gegensatz zu Russland eine negativere Reputation. Eine wichtige Ausnahme bildet hier sicher die (Kultur-)Region in und um den Iran, wo Russland stärker auf Ablehnung stößt.6

 

Anker Für Russland ist es auch eine Möglichkeit, über diese Länder und ihre Emigrantengemeinden in westlichen Staaten dann wieder auf die Politik und Gesellschaften europäischer Staaten Einfluss zu nehmen. Ein vergleichbares Vorgehen sah man schon im Krieg in Syrien.7

Anker Der russische Sender RT, welcher einer der wichtigsten Bausteine der russischen hybriden und Informationskriegsführung ist, ist derweil auch aufgrund des bisherigen schlechten Abschneidens auf dem westlichen Informationsschlachtfeld dabei, seine Taktik im Informationskrieg anzupassen. So hat RT-Chef Frau Margarita Simonyan angekündigt, nach Kämpfern für eine “Volksinformationsmiliz” zu suchen. In der sollen Bürger anderer Staaten direkt Propagandamaterial von RT bekommen und selbstständig verteilen. RT bietet dieses „Angebot“ bisher für 15 Sprachen an. Frau Simonyan kündigte an, es auf 35 Sprachen zu erhöhen. Damit tritt die hybride und Informations-Kriegsführung Russlands klar in eine neue Phase ein.8

 

Anker Die Grundelemente der russischen Informationskriegsführung sind in Afrika wie auch dem Nahen Osten ähnlich zu dem bisherigen Vorgehen in Europa zu sehen. Die russische Propaganda wird aber an die regionalen, kulturellen Zielgruppen angepasst. Dem örtlichen Misstrauen gegenüber dem „Westen“ – vor allem den USA, aber auch den ehemaligen Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien – will Russland sich hier als alternative Großmacht der Bevölkerung, aber auch gegenüber einer neuen Generation (nicht nur auf dem afrikanischen Kontinent) von örtlichen Machteliten zu empfehlen.9

AnkerAnker Man kann hier eine Kontinuität zum damaligen Vorgehen der Sowjetunion in Afrika zu Zeiten des Kalten Krieg klar erkennen.10 Russland findet auch aufgrund der historischen Kooperationen der UdSSR mit vielen afrikanischen Staaten heutzutage ein für seinen Informationskrieg ideales Umfeld vor.11

 

AnkerAnker Insgesamt zielt der russische Informationskrieg auf einen nachhaltig wirkenden Einfluss ab. Dabei nimmt Russland vor allem Indien, China, und Staaten in Afrika und Südasien in den Fokus.12 Die Öffentlichkeit im Nahen Osten sympathisiert im Gegensatz zu den Regierungen eher mit Russland. So wirft man in der dortigen Öffentlichkeit der EU Rassismus vor, da flüchtende Ukrainer im Gegensatz zu Leuten aus dem Nahen Osten in Staaten der EU leichter Zuflucht finden könnten.13

 

Inhaltlich und von seinen Zielgruppen geht Russland in seinem Informationskrieg immer noch nach dem aus der Sowjetunion übernommenen Vorgehen vor. Das Ziel ist es immer noch, die Demokratie und „den Westen“ global, aber auch in den einzelnen Staaten zu diskreditieren. Dies wird über die rechtspopulistischen Parteien und Gruppen auch im Westen selbst versucht, siehe hierzu das Rassemblement National, in dem Marine lePen kurz vor der Wahl ein Flugblatt mit einem Bild von einem Treffen mit Putin zurückzog.

Ebenso sollen die Resilienz und der Raum für Freiheit zersetzt werden. Russlands Eliten (die Siloviki) brauchen ein (globales) Umfeld von Misstrauen und Angst, um erfolgreich ihre Ziele umsetzen zu können. George Orwell hatte dies schon aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Stalinismus in seinem Roman „1984“ gut dargestellt.

Heute kann man den russischen Informationskrieg mit denselben Zielgruppen und Zielen dank der neuen Technologien wieder globaler und zielgerichtet in seinem Wirken analysieren. Er ist heute wie damals gegen jede Demokratie gerichtet.

Zusätzlich gibt es eine auch aus dem Denken des Kalten Krieges, auch im Westen vorhandene Verharmlosung des Vorgehens Moskaus, das aus historischen Gründen mit „Befreiungsbewegungen“ assoziiert wird. Akteure sind neben klassisch “linken“ Gruppierungen auch aus den „Neuen sozialen Bewegungen“ geprägte Menschen oder (vermeidliche) Aktivisten; aber auch reaktionäre und rechtspopulistische Gruppen, die im autoritären Faschismus Putin-Russlands Vorbild und Verbündeten sehen.

Anker Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte beispielsweise auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) 2019 vor der Gefahr der Instrumentalisierung von “Fridays for Future (FFF)” durch hybride Kriegsführung.14

Die russische Strategie der Spaltung findet man daher auf allen Kontinenten, welche global zusammen als Bausteine insgesamt im Sinne Putin-Russlands gegen die Demokratie und dem Westen handeln sollen. Nicht umsonst ist der Konflikt mit dem Westen für Moskaus Denken der entschiedene Punkt in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dieses Denken findet man daher ebenso im aktuellen Informationskrieg Russlands wieder.

 

 

 

 

Anker 1WDR: AfD und Linke – Propagandahilfe für Putin, 27. Februar 2022

https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/Propagandahilfe-fuer-Russland-AfD-Linke-100.html

Anker 2Zur Kritik an der deutschen „Friedensbewegung“ in der Russland Frage sind die Beiträge aus dem Profil: „Robert Treichler: Der Irrtum der Pazifisten“ vom 23. April 2022 https://www.profil.at/meinung/robert-treichler-der-irrtum-der-pazifisten/401983433 , und TAZ: Friedensbewegungen und die Ukraine: Keine Solidarität, nirgends, 20. Februar 2022 https://taz.de/Friedensbewegungen-und-die-Ukraine/!5836365/

Ebenfalls zu empfehlen: der Beitrag von Borys Sobieski mit dem Titel „Nie wieder?“ in der Flaschenpost vom 19. April 2022: https://flaschenpost.piratenpartei.de/2022/04/19/nie-wieder/

Anker 3 Kempf, Wilhelm: Zur Sozialpsychologie der Friedensbewegung, in: Zeitschrift für Sozialpsychologie und Gruppendynamik 9 (1984), 1, S. 26-37, https://kops.uni-konstanz.de/bitstream/handle/123456789/11011/Zur_Sozialpsychologie_der_Friedensbewegung.pdf & Sascha Lobo: Der deutsche Lumpen-Pazifismus, in der SPIEGEL, 20 April 2022

https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/ukraine-krieg-der-deutsche-lumpen-pazifismus-kolumne-a-77ea2788-e80f-4a51-838f-591843da8356

Anker 4NZZ: #IStandWithRussia: In Indien gewinnt Russland den Informationskrieg, 16. April 2022

https://www.nzz.ch/international/ukraine-krieg-in-indien-gewinnt-russland-den-informationskrieg-ld.1677539?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

Anker 5Adeoye, Aanu: Russia’s presence in Mali raises concerns, auf: Chatham House 14. Dezember 2021

https://www.chathamhouse.org/2021/12/russias-presence-mali-raises-concerns & Apps, Peter:

“With arms and Facebook, Russia is entrenched in Mali -T he struggle for influence in sub-Saharan Africa between Paris and Moscow is not new but it has been escalating since at least 2017.” auf: The Arab Weekly, 23. April 2022

https://thearabweekly.com/arms-and-facebook-russia-entrenched-mali

Anker 6Davoodi, Schoresch: Wird sich der Iran in der nahen Zukunft politisch verändern? – AG Außenpolitik der Piratenpartei Deutschland 2021 https://aussenpolitik.piratenpartei.de/2021/05/02/wird-sich-der-iran-in-der-nahen-zukunft-politisch-veraendern-der-versuch-einer-prognose/

Anker 7Davoodi, Schoresch: Deutschland und die „Flüchtlingskrise“ – Eine Herausforderung für sicherheitspolitisches Handeln, in: SG Innerparteiliche Bildung der Piratenpartei Deutschland, 18. August 2020

https://bildung.piratenpartei.de/2020/08/18/deutschland-und-die-fluechtlingskrise-eine-herausforderung-fuer-sicherheitspolitisches-handeln/

Anker 8 https://twitter.com/THesmert/status/1517646722549358592?s=20&t=sfif0v_8XbzevHAGV0EYhw 23. April 2022

Anker 9Illner, Marie: Russland in Afrika: Wie der Kreml antiwestliche Stimmung anheizt, auf Web.de 16. April 2022

https://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/russland-afrika-kreml-antiwestliche-stimmung-anheizt-36778632

Anker 10DW: Wie Russlands Revolution Afrikas Geschichte prägte, 6. November 2017

https://www.dw.com/de/wie-russlands-revolution-afrikas-geschichte-pr%C3%A4gte/a-41231093

Anker 11 Bröll. Claudia & Meier, Christian: Krieg gegen die Ukraine : Russlands Verbündete in Afrika, in FAZ: 4. März 2022

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/ukraine-krieg-warum-russland-verbuendete-in-afrika-hat-17848689.html

Anker 12The Times of Israel: Ukraine has upper hand in information war, but Russia eyes a long game, 3. April 2022

https://www.timesofisrael.com/ukraine-has-upper-hand-in-infowar-battle-but-russia-eyes-a-long-game/

Anker 13Carnegie Endowment for International Peace : What the Russian War in Ukraine Means for the Middle East, 24. März 2022

https://carnegieendowment.org/2022/03/24/what-russian-war-in-ukraine-means-for-middle-east-pub-86711

Anker 14DLF: Merkel irritiert mit Äußerungen über Klimastreiks, 19. Februar 2019

https://www.deutschlandfunk.de/aeussere-einfluesse-merkel-irritiert-mit-aeusserungen-ueber-100.html

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